Bin ich gut genug?

Bin ich gut genug

Ein indisches Sprichwort besagt:

Der Zweifel ist das Wartezimmer der Erkenntnis.

 

Der Zweifel lässt uns verlangsamen und innehalten. Er sorgt dafür, dass wir verschiedene Positionen abwägen und zu gegebener Zeit zu einem Ratsschluss kommen und weitergehen können. Manchmal aber sind die Zweifel so groß, dass wir einfach im Wartezimmer sitzenbleiben. Niemand ruft uns auf, auch wir selbst nicht. 

 

Was kann man in diesem Fall tun?

 



Jedes Mal aufs Neue durchlaufen wir einen kürzeren oder längeren inneren Prozess bevor wir etwas Neues in die Welt bringen. Dabei muss es nicht immer ein großes Ding sein. Manchmal geht es nur darum, eine Meinung zu äußern, die sich von denen der anderen unterscheidet. Manchmal geht es nur darum, einen Job oder Auftrag zu bekommen. Manchmal geht es nur darum, ein neues Angebot zu etablieren. Und manchmal geht es nur darum, ein eigenes Business zu starten.

 

Damit dies gelingt – im Sinne von: Ich habe den Mut, es zu tun – brauchst du die innere Überzeugung, dass du es kannst. Dass du es schaffen kannst. 

 

Ich erlebe immer wieder, dass gut ausgebildete, erfahrene, empathische Menschen – vor allem Frauen – sich nicht trauen, ihr Talent in die Welt zu bringen. Erst muss noch diese oder jene Weiterbildung absolviert werden, da noch eine (vermeintliche) Koryphäe studiert und zitiert werden, dieses Buch nochmal intensiv gelesen und jener Coach zuvor befragt werden. Dies alles und noch viel mehr … bevor man/frau überhaupt nur im Entferntesten auf den Gedanken kommt, irgendwas zu tun. 

Bin ich gut genug: Zwischen Größenwahn und Mickrigkeit

Die Frage, die die ganze Zeit vorder- oder hintergründig im Kopf schwebt, lautet: Bin ich gut genug? Alternativ auch gerne: Bin ich schon so weit? Kann ich das wirklich? Darf ich mich trauen? 

 

Dieser innere Aushandlungsprozess zwischen „Eigentlich könnte ich doch.“ und „Oh Gott, womöglich fehlt mir noch dies und das.“ ist wichtig. Denn es geht weder darum, größenwahnsinnig zu sein und eine Karriere als Hochstapler zu starten, noch ist es für irgendjemanden hilfreich oder gut, beständig eine Tiefstaplerin zu sein und das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen.

 

Manchmal aber lähmt uns das innere Hin und Her so sehr, dass wir lange Zeit steckenbleiben, viel Energie auf das Gehirn-Ping-Pong ver(sch)wenden, und unzufrieden sind. 

 

Nein, ich plädiere jetzt nicht für einen Kompromiss aus beidem: ein bisschen vorsichtig und ein bisschen verwegen, manchmal dies und situativ das. Ist auch ein Weg. Aber ein lascher, energiearmer. 

Bin ich gut genug: Helle und dunkle Seiten

Ich war schon immer widerwillig fasziniert von Menschen, die aus Sch… Gold machen. Die sich gut verkaufen können mit einem Minimum an Kompetenz - und Erfolg haben, also damit durchkommen. Mein nettester Kommentar dafür war stets „Das ist ja ganz schön dreist.“ Und das sehe ich grundsätzlich immer noch so. 

 

Meine Faszination galt und gilt dem Mut, einfach mal loszulegen

 

Es gibt da draußen Menschen, die weniger qualifiziert sind, aber sie machen die Dinge, die man selbst gerne machen würde. Sie erreichen die Ziele, die man selbst gerne erreichen würde. Einfach, weil sie entschieden haben, an sich selbst du glauben. Und loszulegen. Und dranzubleiben. 

 

Das ist die helle Seite einer Hands-on-Mentalität. 

Die dunkle Seite Seite ist im ärgsten Fall Hochstapelei oder mangelnde Integrität.

 

Die dunkle Seite des Zögerns und Prüfens ist die komplette Handlungsunfähigkeit. 

Die helle Seite ist: Ich will das, was ich tue, richtig gut machen. 

 

Fühlst du dich davon (an)gesprochen? 

 

Dann habe ich zwei Übungen für dich 😊.

Bin ich gut genug: 2 Übungen

Übung 1: Das innere Ballett auf die Bühne bringen

Jedes Mal, wenn wir in einem Konflikt sind, gibt es widersprüchliche Impulse in uns, widerstreitende Kräfte, die eine Lösung unmöglich machen. Den Konflikt immer nur gedanklich zu bewegen, bringt uns dann nicht weiter, wenn wir in einer Dauerschleife verharren. 

 

Die folgende Intervention nutze ich sehr gerne im Coaching. Mit einer Begleitung ist es natürlich leichter, sich voll in die Positionen hineinzubegeben, ohne auf den Prozess achten zu müssen.

Aber auch allein kann man mit ein bisschen Training einen Schritt weiterkommen. 

 

Für die Übung brauchst du Platz, 2 Stühle, ein Notizbuch und einen Stift.

Außerdem 2 Karten: Auf die eine schreibst du "Ich will das machen.", auf die andere: "Ich kann das nicht."

 

Starte mit der Karte "Ich will ...". Leg sie an einer geeigneten Stelle auf den Boden.

Positioniere dich dort und entfalte deinen Wunsch:

  • Was möchte ich tun?
  • Warum will das tun?
  • Was ist mir von Herzen wichtig?
  • Wie fühlt es sich an, wenn ich es tue?
  • Welche Wirkung entfalte ich im besten Fall?
  • ...

Während du die Fragen bewegst und beantwortest, spüre in deinen Körper: An welcher Stelle ist besonders viel Freude, Energie, Lust oder Tatkraft? Verstärke das gern und merke dir die Stelle.

 

Wenn du den Eindruck hast, das "Ich will" voll ausgekostet zu haben, geh an einer andere, neutrale Stelle im Raum. Sorg dafür, dass du dich wieder frei und leer machst. Vielleicht machst du ein paar Atemübungen, einen Hampelmann oder verlässt auch kurz den Raum.

 

Arbeite nun weiter mit der Karte "Ich kann das nicht."

Leg sie an einer geeigneten Stelle auf den Boden. Stell dich dort auf und geh auf Entdeckungsreise zu dem zweifelnden Anteil in dir:

  • Wo fehlt mir die Kompetenz?
  • Was traue ich mir nicht zu?
  • Wovor habe ich am meisten Schiss?
  • Was, wenn ich damit scheitere? 
  • Was kann im schlimmsten Fall passieren, was ist das absolute Horrorszenario?
  • ...

Auch wenn es nicht schön ist: entfalte dies alles. Die Zweifel sind sowieso da. Also sorg dafür, dass du genauer hinschauen und fühlen kannst. Finde auch jetzt eine Stelle in deinem Körper, in dem das "Ich kann das nicht" besonders präsent ist. 

 

Sorge nun wieder dafür, dass du dich leer machst - Atmen, Zappeln oder/und Rausgehen.

 

 

Jetzt geht's weiter mit einer Debatte zwischen beiden Positionen.

Stell einen Stuhl zu jeder Karte. Schnapp dir dein Notizbuch und einen Stift.

 

Setz dich auf einen der beiden Stühle. Entscheide spontan, welche Position gerade stärker ist.

Verbinde dich nochmal mit der Stelle in deinem Körper, die diesen Anteil repräsentiert.

Schreib nun das auf, was die Position zu sagen hat. 

 

Wechsel den Stuhl, verbinde dich innerlich mit der anderen Position und schreib das auf, was sie zu sagen hat.

Daraus entsteht eine schriftliche Debatte zwischen beiden. 

 

Wichtig ist, dass du immer den Stuhl wechselst, wenn du in die andere Position gehst. (Ja, wenn der verbale Schlagabtausch lebendig ist, kann man ein bisschen aus der Puste kommen 😉.)

 

Mach das so lange, bis es nichts mehr zu sagen gibt. 

Dann leg eine kleine Pause ein und verlass den Raum.

 

Wenn du den Raum wieder betrittst, such dir eine Stelle, von der aus du beide Stühle und Positionen gut im Blick hast. 

 

Das ist die Perspektive der unbeteiligten Beobachtung.  

Bin ich gut genug

Lies dir die Debatte nochmal durch, lass sie in der Gesamtheit wirken und gib dann einen Rat, der das Dilemma auflöst.

Schreib diesen Rat auf und schließe für den Moment das Thema ab.

 

Nach ein paar Tagen liest du den Rat noch einmal, ergänzt vielleicht etwas und legst dann die nächsten drei Schritte fest, die wichtig sind, um dein "Ich will" in die Tat umzusetzen.

Übung 2: Den Unterschied finden

Die Frage "Bin ich gut genug?" kann dich im besten Fall dazu bringen, wirklich gut in dem zu sein, was du tust. 

 

Zwischen "wirklich gut" und "absolut perfekt" liegt aber ein wichtiger Unterschied geborgen. 

Mit dem Anspruch, alles, was möglich und denkbar ist, abzudecken und zu bedienen, musst du zwangsläufig scheitern. 

Irgendwas ist ja immer - nicht rund, nicht ausgefeilt genug, nicht dies und nicht das.

 

Außerdem werden die Empfänger*innen deines Engagements gar nicht alles brauchen und haben wollen. 

Alles eine Frage der Positionierung.

 

Entscheidend ist, dass du den Unterschied genau benennen und beschreiben kannst, den du für deine Zielgruppe machst.

Deinen USP (Unique Sellig Proposition) bringst du auf den Punkt, in dem du den Kreislauf (siehe Grafik) immer wieder durchläufst - so lange, bis du das Konzentrat herausgefiltert hast.

Bin ich gut genug

 

Du startest bei deiner Zielgruppe:

Welches Problem hat sie? Was ist die größte Herausforderung?

 

Dann gehst du weiter zu deinem Angebot:

Wie genau hilft dein Angebot dabei, dieses Problem zu lösen? Was ist danach anders/besser für deine Zielgruppe?

 

Nun kommst Du:

Welches deiner Talente ist entscheidend dafür, dass dein Angebot richtig gut wird? 


Und wieder von vorn:

  • Wie genau passt dein Talent zur Herausforderung deiner Zielgruppe? Was hast du zu geben, was sie braucht?
  • Wo ist der allergrößte Engpass bei deiner Zielgruppe und wie kann die Lösung aussehen, die dein Angebot verspricht?
  • Wie schaffst du es, das Versprechen deines Angebots einzulösen? ... usw.

Der Gewinn dieser Übung liegt darin, dass du dich auf das fokussierst, was da ist, was geht, was gebraucht wird. Das sind alles Möglichkeiten - keine Hürden, kein Zaudern, kein Zweifel, kein ewiges Wartezimmer. 

Bin ich gut genug: Resonanzen einholen

Last not least: Hol dir Feedback von Menschen, die dich gut kennen. Oft sehen andere Stärken und Talente, die du selbst gar nicht (mehr) wahrnimmst - weil es dir besonders leicht fällt, weil du denkst, dass das nichts Besonderes ist, weil du meinst, dass diese Stärke nicht wichtig in diesem Kontext ist, oder ..., oder ...

 

 

Welche Strategien hast du, um (trotz Zweifeln) ins Tun zu kommen?

Schreib mir gern in den Kommentaren.


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Kommentare: 1
  • #1

    Rainulf (Montag, 10 April 2023 10:37)

    Danke für die schönen Übungen!